
Reste der Stadtmauer führen hinauf zu den Wachtürmen von Saint Ursanne
Alle zwei Jahre verwandelt sich das malerische Städtchen Saint Ursanne im Schweizer Jura & Drei-Seen-Land in einen mittelalterlichen Marktflecken. Das ganze Städtchen begibt sich auf eine Zeitreise, zurück in längst vergangene Zeiten. Mittelalterliche Gestalten halten Einzug – Könige und Königinnen, Ritter, Heiler, Handwerker, Gaukler und Händler. Sie kommen aus der ganzen Schweiz und dem nahe gelegenen Frankreich und Deutschland. Das Fest „Les Médiévales“ ist, weit über die Landesgrenzen hinaus, als eines der größten Mittelalterfeste der Schweiz bekannt.

Eine schmale Steinbrücke führt zum Stadttor von Saint Ursanne

Dicht an dicht reihen sich die mittelalterlichen Häuser entlang dem Fluss Doubs
Wer darf auf ein „Mittelalterfest“?
Dieses Jahr war es wieder so weit und wir wollten uns das Spektakel nicht entgehen lassen. Irritierte Blicke bei den Kindern, als ich ihnen erzählte dass wir am Wochenende in die Schweiz zu einem Mittelalterfest fahren. „Und was sollen wir da?“, fragte meine Tochter. „Da kannst doch nur du hin!“ – Irritierte Blick meinerseits, bis der Groschen fällt. Madame hatte den Begriff „Mittelalter“ zu wörtlich genommen und dachte das Fest sei nur für mittelalte Menschen (super Kompliment…). Ich erklärte, dass es sich um ein Motto-Fest handelt, so wie damals auf Gut Positz. Das gefiel den Kindern schon besser. „Müssen wir uns da verkleiden?“ – fragte unser Sohn. Er hatte extra für die Party auf Gut Positz ein Ritterkostüm bekommen. Aber zur Zeit gehört Verkleiden nicht so sehr zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. „Nur wenn du möchtest“, antwortete ich. Er entschied sich dagegen. So starteten wir also am vergangenen Freitag ohne Kostüme in die französische Schweiz.

Saint Ursanne hat sich für seine Besucher mittelalterlich herausgeputzt

Erstaunlich was die Verkleidungen ausmachen – wir fühlen uns wie im Mittelalter
Mittelalter-Feeling in Saint Ursanne
Etwa 3,5 Stunden dauerte die Fahrt in eine Region der Schweiz, die wir bisher noch nicht kannten. Zwar sind wir auf der Fahrt nach Südfrankreich schon ab und zu durch das Jura & Drei-Seen-Land gefahren, aber wir haben hier noch nie einen Stopp eingelegt und uns die Region näher angesehen. Dabei hat die Ecke einiges zu bieten und ist besonders beliebt bei Familien.
Wir schaffen es gerade rechtzeitig zum Beginn des Festes am frühen Abend. Eine schmale Steinbrücke führte zu einem der drei alten Tore, die bis heute die einzigen Zugänge ins Zentrum von Saint Ursanne bilden. Um uns herum herrschte schon reges Treiben. Ritter, Händler und allerhand kreativ verkleidete Besucher strömten durch die Tore in die Stadt. Wir schlossen uns an und drehten erst einmal eine Rund durch die engen gepflasterten Gassen. Schon nach wenigen Minuten hatten wir das Gefühl, eine Zeitreise gemacht zu haben. Mittelalterliche Musik klang durch die Häuserreihen. Der Rauchgeruch der zahlreichen Lagerfeuer drang ins unsere Nasen. Die malerische Kulisse der alten Häuser und Gassen, das Hämmern der Schmide, das Klappern der Pferdehufe, das Schreien der Händler und der Duft verschiedenster Kräuter vermischten sich zu einem faszinierenden Gesamteindruck. Die Kinder waren völlig fasziniert – an jeder Ecke gab es etwas zu entdecken.

Ritter ziehen durch die Gassen von Saint Ursanne

Betörender Kräuterduft strömt in unsere Nasen

Auch Eulen dürfen nicht fehlen
Tiere und Märchen
Das besondere Interesse der Kinder galt natürlich – wie so oft – den Tieren. Esel, Pferde, Hasen, Hühner, Raubvögel und vor allen Eulen zogen sie in ihren Bann. Aber auch der Blick über die Schultern der Handwerker und ihrer mittelalterlichen Handwerkskunst war für sie sehr spannend.
Das Kloster von Saint Ursanne bot einen Ruhepol vom Festtrubel. Hier war die Marionettenausstellung untergebracht und man konnte einem Märchenerzähler lauschen. Leider konnten wir das meiste nicht verstehen – unser Französisch war leider nicht gut genug – aber wir genossen die Auszeit im Schatten der wunderschönen alten Gemäuer trotzdem sehr.

Märchenstunde im alten Kloster

Ruhepol im Festtrubel: Die Kreuzgänge im Kloster von Saint Ursanne
Mittelalterliche Gaumenfreuden
Auch im Mittelalter durfte der Gaumenschmaus nicht fehlen – und so wurde es natürlich auch in Saint Ursanne zelebriert. Flammkuchen, Fleischspieße, Holzofenbrote, Quiche und allerlei leckere Naschereien sorgten für das leibliche Wohl der Gäste. Dazu leckerer Apfelsaft, Bier oder Wein. Und natürlich gab es jede Menge Möglichkeiten zum mittelalterlichen Einkaufsbummeln. Kleider, Schwerter, Musikinstrumente, Schmuck, Kräutermischungen und Töpferwaren – das Angebot war breitgefächert und äußerst verführerisch. Einzig der schlechte Frankenkurs bremste unsere Kauflust etwas.

Leckere Naschereien

Tonpfeifen

Mittelalterliche Kleidung
Fabelwesen und Piraten in Saint Ursanne
Man hätte stundenlang bummeln und Menschen beobachten können. Es waren auch zahlreiche außergewöhnliche Gestalten und magische Wesen unterwegs. Hier verschwammen Fantasie und Wirklichkeit. ‚Ob der Jack Sparrow wohl echt war?‘, fragte sich unser Sohn. Doch wie hätte er mit seinem großen Schiff über den Doubs schippern können? Auch die Frage, ob der Herr mit dem Holzfahrrad wohl eine lange Anreise hatte, ließ sich nicht so ohne weiteres klären. Dafür entzauberten die Kinder prompt das Geheimnis der spitzen Ohren, die von so vielen Besucher getragen wurden – die entdeckten sie nämlich an einem der Verkaufsstände! Auch Ritter mit Handys und Hexen in Crocs sorgten für große Heiterkeit.
Saint Ursanne im magischen Licht
Als es dunkel wurde, wartete noch ein ganz besonderer Höhepunkt auf die Besucher – die Lichtinstallationen des bekannten Schweizer Light Artists Gerry Hofstetter im Zentrum von Saint Ursanne. Die Kirche und zahlreiche weitere Gebäude wurden in magisches Licht getaucht und wurden zu Kulissen für die Erzählung der Geschichte der Stadt. Ein wirklich beeindruckender Abschluss unseres unglaublich erlebnisreichen Tages in Saint Ursanne.
Unsere Tipps für „Les Médiévals“ in Saint Ursanne
Das Mittelalterfest in Saint Ursanne ist ein großartiges Erlebnis für die ganze Familie. Besonders fällt die entspannte Atmosphäre auf, die den Besuch sehr angenehm macht. Zum Fest werden über 50 000 Besucher erwartet – trotzdem wirkte es bei unserem Besuch nicht überfüllt. Das nächste Fest findet 2017 statt – wenn ihr einen Besuch plant haben wir noch ein paar Tipps für euch:
– Wer mit dem Auto anreist, sollte möglichst frühzeitig am Festplatz sein, um einen Parkplatz in der Nähe zu ergattern (Das Parken ist kostenlos!)
– Wer übernachten möchte, sollte sich rechtzeitig um eine Übernachtungsmöglichkeit kümmern – in der Umgebung wird es rund um das Fest sehr voll
– Genügend Bargeld einpacken (die Kartenautomaten sind während der Festtage ziemlich überlastet, Kartenzahlung ist an den Ständen nicht möglich)
– Mit Verkleidung macht das Fest doppelt Spaß!
– Die Tickets kosteten 2015: Freitag Abend:12 SFR, Tageskarte Samstag oder Sonntag: 18 SFR, Kombikarte Samstag und Sonntag: 30 SFR. Kinder unter 16 Jahren kostenlos
Hinweis: Unser Wochenende in Saint Ursanne fand in Zusammenarbeit mit der Ferienregion Jura & Drei-Seen-Land statt.