„Einfach bis zum Ende des Tales fahren, da sehen Sie schon die Pferde“, hatte mir die junge Dame an der Rezeption des Hotel Marten noch mit auf den Weg gegeben. Jetzt stehe ich hier am Ende des Tales auf einem Parkplatz – aber von Pferden weit und breit keine Spur. Wie es eben so ist, wenn man in einem Skigebiet als Fußgänger unterwegs ist: man lernt die Gegend von einer ganz einsamen Seite kennen. Sprich – außer mir ist weit und breit niemand zu sehen. Ich bin unschlüssig, ob ich einfach eine Weile warten soll, oder noch einmal schaue, ob es nicht doch noch einen anderen Parkplatz in der Nähe gibt. Plötzlich hält ein holländisches Auto in der Nähe. Ein älteres Pärchen steigt aus und läuft ebenso planlos wie ich über den Parkplatz. ‚Ob sie auch auf den Pferdeschlitten warten?‘, frage ich sie. Beide schauen mich an, als wäre ich gerade vom Himmel gefallen. „Pferde? Äh nein… aber warum eigentlich nicht?“, grinst er mich an. „Wir sind eh nur zufällig hier, dann können wir eigentlich auch auf einen Pferdeschlitten warten!“ Gesagt, getan.
Pferdeschlitten-Idylle in der Winterlandschaft
Einige Minuten später hören wir Glöckchengebimmel, Hufgeklapper und Hundegebell und kurz darauf zeigt sich uns ein idyllisches Bild wie aus dem Bilderbuch. Ein Pferdeschlitten, begleitet von einem wuscheligen weißen Hund kommt durch den verschneiten Wald auf uns zu. Schade, dass ich meine Kamera eben in diesem Moment nicht griffbereit habe. Die beiden Holländer sind begeistert und buchen gleich eine Fahrt hinauf zur Lindlingalm. Was sie da oben erwartet, wissen sie nicht – sie sind ja eh nur zufällig auf dem Parkplatz gelandet. Unserer kleinen Gruppe schließen sich noch ein paar Leute an, die plötzlich, wie aus dem Nichts hier aufgetaucht sind. Eine Russin, eine rumänische Familie und ein Paar aus Österreich.
Los geht die Fahrt durch die verschneite Bergwelt. „Ein Glück, dass es heute Nacht endlich geschneit hat!“, meint der Kutscher glücklich. „Heute sind wir zum ersten Mal in diesem Winter auf Kufen unterwegs, gestern brauchten wir noch Räder“, fügt er hinzu. Die Glöckchen am Pferdegeschirr bimmeln, der Wind pfeift uns um die Nase und ich fühle mich ein bisschen wie in einem alten Märchen – nur das nirgendwo ein Prinz zu sehen ist.
Internationale Verwirrung – was bedeutet „Home of lässig“???
Etwa eine halbe Stunde geht es hinauf zum Talschluss. Hier soll sich die „Golden Gate Bridge“ der Alpen befinden. Ein großes Wort, für ein kleines Tal – und eine schmale Brücke, wie wir gleich darauf feststellen. Überhaupt wird hier mit Superlativen und Werbeslogans recht großzügig umgegangen. Als der Marketing-Gott die Werbeslogans verteilte, hat sich Saalbach-Hinterglemm – nun sagen wir mal – etwas weiter hinten angestellt. Ansonsten kann ich mir den Spruch „Home of lässig“ beim besten Willen nicht erklären. Ich habe übrigens auch während unseres ganzen Aufenthalts vor Ort niemanden gefunden, der uns die Bedeutung erklären konnte. Die Antworten reichten von breitem Grinsen bis ratlosen Schulterzucken. Eine englischsprachige Touristin meinte gar, dass vermutlich ein Herr Lässig von hier kommt. Auch eine Idee – aber selbst Herrn Lässig haben wir leider nicht kennengelernt…
Bei der Lindlingalm ist Endstation. Wir steigen aus und sehen uns erst einmal um. Selbst unter der leichten Schneedecke kann man erkennen, dass hier im Sommer vermutlich der Bär tobt. Eine Kneipp-Anlage und ein riesiger Hochseilgarten sowie der Baumzipfelpfad befinden sich hier rund um die Linglingalm, die das ganze Jahr über Jahr bewirtet ist.
Familienparadies: die Lindlingalm
Eine entzückende kleine Hütte mit riesigen Holzschnitzereien entpuppt sich als Stall mit Mini-Streichelzoo. Hier leben ein Esel, ein Pony und mehrere Ziegen, die sich – jetzt in der recht ruhigen Wintersaison – spürbar über Besuch freuen und ausgiebige Streicheleinheiten genießen.
Auf dem Baumzipfelpfad durch die Baumwipfel
Ich möchte den Baumzipfelweg näher unter die Lupe nehmen, der nur wenige Meter von der Almhütte entfernt liegt. Zum Baumzipfelweg gelangt man über die „Golden Gate Bridge“ und die wiederum erreicht man erst, wenn man Eintritt bezahlt. Ursprünglich hatte ich vermutet, dass Baumzipfel die österreichische Bezeichnung für Baumwipfel ist – stimmt aber nicht. Baumwipfel werden in unserem Nachbarland auch als solche bezeichnet. „Jo, Baumwipfel klingt halt lässiger“, klärt mich ein Einheimischer auf. Dass hinter dem Namen ein ausgebufftes Marketingkonzept steht, wird mir bewusst, als sich die Kasse betrete. Dort sitzt nämlich ein leibhaftiger Zwerg. Ich gebe zu, ich bin erst einmal sprachlos und spreche ihn vorsichtig an. Ja, er ist echt! Und er überreicht mir ebenfalls eine grüne Baumzipfelmütze. Die rumänische Familie vor mir, hat sich bereits in Zwerge verwandelt und hält unter riesigem Gelächter eine Fotosession auf der Brücke ab.
Die Golden Gate Bridge der Alpen
Die Hängebrücke ist 200 Meter lang und bis zu 42 Meter hoch. Der Boden besteht aus Stahlgittern, das mag das Überqueren für Leute, die nicht schwindelfrei sind, etwas schwierig machen. Die Begrenzungen an den Seiten sind fast schulterhoch, d.h. auch für kleine Kinder ist das Überqueren gefahrlos möglich. Wenn mehrere Leute auf der Brücke sind, fängt sie an zu schwanken – auch das sollten die Ängstlichen bei der Überquerung berücksichtigen. Ansonsten ist das aber alles halb so schlimm. Ungefähr in der Mitte der Brücke hat man einen schönen Ausblick ins Tal.
Der Blick nach unten täuscht auf dem Bild – 42 Meter sind ganz schön hoch!Nette Abwechslung für Nicht-Skifahrer
Wenn man die Hängebrücke überquert hat, erreicht man den eigentlichen Baumzipfelweg auf der gegenüberliegenden Talseite. Etwa 800 Meter lang, führt er auf verschiedenen Höhen durch den Wald. Im Prospekt wird mit 11 Türmen und Plattformen und 33 Brücken geworben. Davon merkt man beim Spaziergang nicht allzuviel, da man die Abgrenzung zwischen den Türmen und Brücken nicht wirklich wahrnimmt. Der Weg durch die Baumwipfel ist wirklich idyllisch, gerade, wenn nicht allzu viele Leute unterwegs sind. Mit 9 Euro/Erwachsene und 6 Euro/Kinder (es gibt keinen Familienpreis) ist es aber auch ein recht teurer Spaziergang. Für Nicht-Skifahrer ist es allerdings eine schöne Abwechslung zum typischen Ski-Resort-Programm und damit ein netter Ausflug.
Der Talschluss – Familienparadies im Sommer
Ich habe diesen besonderen Waldspaziergang sehr genossen – allerdings ohne Zipfelmütze. Auf dem Rückweg mache ich Rast im Restaurant der Lindlingalm und gönne mir eine Portion Kässpätzle, bevor es wieder mit dem Pferdeschlitten hinab ins Tal geht.
Insgeheim nehme ich Saalbach-Hinterglemm und den Talschluss in die Auswahl der möglichen Sommerreiseziele auf – der Hochseilgarten wäre für die Kinder der Hit – und überhaupt scheint diese Ecke ein echtes Familienparadies zu sein. Im Sommer allerdings ohne Pferdeschlitten bzw. -kutsche, denn dann haben die Pferde Urlaub und genießen die Monate auf der Weide.