Von der Terrasse des Fowey Hall Hotels kann man direkt auf’s benachbarte Dörfchen Polruan blicken. Es scheint zum Greifen nah – wäre da nicht der Fowey River, der Meeresarm, der genau zwischen den Dörfern Fowey und Polruan eine tiefe Schneise ins Land schneidet. Wer mit dem Auto ins Nachbardorf gelangen möchte, muss einen großen Umweg in Kauf nehmen. Für Fußgänger gibt es die kleine Fähre (Polruan-Fowey Ferry), die unermüdlich hin und her fährt.
Ist das Gras auf der anderen Seite grüner? Wandern in Cornwall…
Wie es so ist… – man denkt immer, dass das Gras auf der anderen Seite grüner ist. Um genau diesen Verdacht zu prüfen, machen wir uns auf den Weg zur Fähre. Nicht einmal fünf Minuten dauert die Überfahrt nach Polruan. Wir stellen schnell fest, dass Polruan die unspektakuläre Schwester von Fowey ist. Das Dorf ist sehr klein, es gibt ein Restaurant am Hafen und ein Café ein paar Meter oberhalb. Dazu noch einige wenige Läden und eine Telefonzelle (die der modernste Teil des Dörfchens zu sein scheint) – fertig!
Polruan, die unspektakuläre – aber fröhliche – kleine Schwester von Fowey
Durch Polruan schieben sich nicht die Touristengruppen, wie es in Fowey doch öfters vorkommt. Hier sind die Einwohner noch unter sich und genau das scheint ihnen auch recht zu sein. Hier trifft sich das ganze Dorf am kleinen Hafen. Es gibt – bei Ebbe – einen klitzekleinen Sandstrand, der von den Kindern ausgiebig zum Baden uns Spielen genutzt wird. Treffpunkt für die etwas größeren Kinder (und kindsköpfigen Erwachsenen) ist die Kaimauer gleich neben an. Unermüdlich springen sie – mal mehr, mal weniger spektakulär, aber immer äußerst waghalsig in die Fluten. Dass direkt daneben ein großes Schild darauf hinweist, dass das Springen von der Mauer verboten ist, stört niemanden. Unsere Kinder sind fasziniert – etwas verbotenes tun, direkt neben dem plakativen Verbotsschild, das hat schon was! Lange stehen wir da und schauen zu. Mit Engelszungen versuchen wir schließlich, die Kinder zum weitergehen zu bewegen.
Kinder und Wandern in Cornwall…
Aber aus Kindersicht ist die Alternative recht unattraktiv: Wandern in Cornwall! Hätten wir das Wort nur nicht ausgesprochen… – das Gemecker beginnt damit schon vor dem Start. „Muss das sein?“ nölt unsere Tochter. „Ich will lieber schwimmen“, jammert unser Sohn. Doch wir sind unnachgiebig. So schön ist der Strand nicht, dass wir hier noch mehr Zeit verbringen wollen. Und auch ein Sprung von der Kaimauer ist nicht das, was wir uns vorgestellt haben. Nach einer gefühlten Ewigkeit starten wir endlich.
Ein Rundweg entlang der Küste
Wir hatten einen Rundweg ausgewählt, der erst oberhalb durch einen Wald entlang des Fowey Rivers führt und dann über Teile des Coast Paths entlang der Küste führt. Steil geht es auf den schmalen Sträßchen hinauf – der letzte Teil führt über ebenso steile und recht unregelmäßige Treppenstufen. Als wir endlich glauben angekommen zu sein, stehen wir von einer Straßensperre und stellen fest, dass wir den ganzen Weg wieder zurückgehen und die „Umleitung“ nehmen müssen. Super! Da kommt Freude auf!
Wandern mit Umwegen
Über die Umleitung gelangen wir schließlich auf einen wunderschönen schmalen Waldweg. Durch die dicht an dicht gewachsenen Bäume kann man den Fowey River nur erahnen – aber die feuchte und kühle Waldluft tut nach dem schweißtreibenden Aufstieg richtig gut. Irgendwann stellen wir fest, dass wir wohl eine falsche Abzweigung genommen haben – zumindest stimmt die Wegführung auf unserem Plan nicht mehr mit den Wegen vor uns überein und wir sind eindeutig in die falsche Richtung unterwegs. Wir entschließen uns, einen etwas unkonventionellen, dafür aber direkten Weg über die Weiden zu nehmen, in der Hoffnung, so wieder auf unsere ursprüngliche Route zurückzukommen. Ob es der richtige Weg war wissen wir nicht, aber zumindest sehen wir nach einer Weile das satte Blau des Meeres zwischen den Wiesen hindurchblitzen.
Grüne Wiesen, leuchtend blaues Meer und strahlender Sonnenschein – ein perfekter Tag!
Wo das Meer ist, ist der Coast Path nicht weit, denn er führt an der gesamten cornischen Küste entlang. Und so gelangen wir schließlich wieder auf den richtigen Weg. So unspektakulär Polruan ist, so gigantisch ist dieser Küstenabschnitt. Grüne Wiesen, leuchtend blaues Meer, strahlender Sonnenschein – es ist ein Tag wie aus dem Bilderbuch. Natürlich gehört beim Wandern in Cornwall immer auch ein bisschen Wetter-Glück dazu. Sicherlich birgt die Landschaft auch bei Sturm und Regen ihre Reize – aber bei Sonnenschein ist sie mindestens doppelt so schön.
Die heimliche Angst der Eltern…
Und dazu noch sicherer, denn bei Regen werden die Wege entlang der Küste schnell rutschig. Gerade wer mit Kindern unterwegs ist, hat den Sicherheitsaspekt wahrscheinlich noch mehr im Hinterkopf als alle anderen. Ich hatte schon vor der Reise Alpträume, dass eines der Kinder ausrutschen und die Klippen hinabstürzen könnte. Der Coast Path verläuft in diesem Bereich verhältnismäßig hoch über dem Meer, und er fällt auf der einen Seite entsprechend steil ab. Besorgt mag ich die Hand meines Sohnes gar nicht loslassen und quetsche sie so sehr, dass er irritiert protestiert „Mama, du tust mir weh!“. Ich lockere meinen Griff ein kleines bisschen, lasse ihn aber erst wieder los, als wir einen Bereich erreichen, der von dichten Brombeerbüschen bewachsen ist.
Abwechslungsreiche Wanderroute – für die Kinder ein Abenteuer
Die Wanderung ist sehr abwechslungsreich. Wiesen, Felsen und Büsche wechseln sich am Wegesrand ab, dazwischen immer mal wieder ein Weidetor. Die Landschaft und der Blick auf’s Meer sind atemberaubend. Immer wieder bleiben wir stehen und genießen die unglaubliche Aussicht. Die Kinder haben inzwischen ganz vergessen, dass sie eigentlich gar nicht wandern wollen. Für sie ist alles ein großes Abenteuer.
Einsames und intensives Naturerlebnis für die ganze Familie
Einziger Diskussionspunkt hier: wer darf die Gattertore öffnen – und wer darf vorne gehen (nebeneinander war aufgrund der engen Wege nicht möglich). Zum Glück kommt uns kaum jemand entgegen 😉
Überhaupt sind wir überrascht, dass auf dem Rundweg kaum Menschen zu sehen sind. Wahrscheinlich liegt es daran, dass Cornwall so unglaublich viele schöne Wanderrouten hat. Wir sind auf jeden Fall sehr froh, dass wir eine Strecke gefunden haben, die traumhaft und einsam zugleich ist. Das macht das Naturerlebnis gleich noch viel intensiver!
Luxusprobleme und ein Fotofelsen
Übrigens ist die Route so einsam, dass wir für unser Familienfoto doch tatsächlich den Selbstauslöser der Kamera bemühen müssen. Gar nicht so einfach auf dem schmalen Weg – aber wir finden schließlich noch den perfekten Fotofelsen und geben zu: das ist ein echtes Luxusproblem! 🙂
Kein Cream Tea…
Viel zu schnell sind wir wieder zurück in Polruan. Jetzt wäre ein Cream Tea perfekt! Leider finden wir kein Café oder Restaurant das über eine Terrasse verfügt bzw. das überhaupt geöffnet ist und entschließen uns direkt zurück nach Fowey zu fahren.
Wer hat die schönste Aussicht? Fowey oder Polruan?
Zum legendären Streit der beiden Dörfer Fowey und Polruan, wer denn nun die beste Aussicht hat, können wir leider auch nichts beitragen. Vermutlich werden sich die Dörfer noch ewig streiten, denn beide haben ein unglaubliche schöne Aussicht und ich bin sicher, dass niemals ein Sieger gekürt wird. In diesem Wettbewerb gibt es definitiv zwei Sieger!!!
😉
Auch Reisebloggerin Monika Fuchs von Travel World Online war in der Ecke unterwegs – hier ihr Bericht über Looe, den Nachbarort von Polruan.
4 Kommentare
Super! Dieses Stück Cornwall kenne ich noch nicht. Guter Bericht, schöne Fotos. Ich finde in Cornwall sowieso viele Küstenabschnitte für Wanderungen mit Kindern geeignet.
Ja, man hat die Qual der Wahl. Ich glaube wir hätten noch Monate in Cornwall verbringen können, ohne Langeweile zu bekommen 🙂
Ein toller Artikel, der Lust auf Cornwall macht. Danke, Antje!
Vielen Dank, liebe Christina! Vielleicht ja ein Reiseziel für die Zukunft? Wir hätten auf jeden Fall Lust, bald wieder hinzufahren! 🙂