Ein Thema treibt uns schon länger um – wie viel Handy und Elektronik braucht das Kind, und wie viel davon darf mit auf Reisen. Aktuell ist das Thema gerade auch wegen der bevorstehenden Klassenfahrt – der dann frisch gebackenen Sechstklässler – ins Schullandheim. Darf das Handy mit auf Klassenfahrt? Die Regelung ist von den Lehrern klar vorgegeben: das Handy darf zwar mit, aber nur während der Fahrt benutzt werden. Vor Ort wird es eingesammelt und bis zur Abreise weggeschlossen. Beim Elternabend gab es dazu erstmal erstaunlich wenig Diskussionen – die wird vermutlich später daheim mit den Kindern folgen.
Die meisten Schüler haben ein Smartphone
Längst ist ein Großteil der Schüler mit Smartphones ausgestattet. Die Verständigung läuft über unzählige – oft recht aussagelose – Whatsapp-Nachrichten. Telefonieren ist eigentlich kein Thema – das Smartphone dient zum Nachrichten tippen, Musik hören, Fotografieren und zum Spielen. Da liegt vermutlich auch der Knackpunkt – das Handy ist aus dem Alltag vieler Kids nicht mehr wegzudenken. Ohne Handy unterwegs zu sein, heißt für sie dann eben auch – keine Musik hören zu können, keine Fotos machen zu können und sich nicht mit Spielen ablenken zu können. Ach ja, und natürlich heißt es auch, dass sie sich dann direkt mit dem Sitznachbarn unterhalten müssen, weil es nicht möglich ist, Nachrichten zu verschicken.
Totale Ruhe im Bus – bis die Akkus aufgeben
Letztes Jahr hatte ich die Möglichkeit, bei einer Sprachreise nach England dabei zu sein und Mäuschen zu spielen. Obwohl etwa 50 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 16 im Bus waren, herrschte während der Fahrt zunächst völlige Ruhe. Als ich mich ziemlich irritiert umsah, stellte ich fest, dass alle mit ihren Handys beschäftigt waren. Kein Gespräch mit den Sitznachbarn, kein Blick aus dem Fenster, kein Interesse am Reiseverlauf. Das änderte sich nach etwa 8 – 10 Stunden. Da gingen nämlich die Akkus zur Neige. Tatsächlich kam dann endlich die typische Reisestimmung und die Laune der Kids stieg augenblicklich.
Chancen nutzen und Land und Leute kennenlernen
Vor Ort waren Handys zwar erlaubt, es gab aber kein WLAN für die Kids. Eigentlich eine gute Sache, fand ich. Aber es stellte sich heraus, dass der regelmäßig wechselnde WiFi-Code des Büros und der Betreuer das best gehandelte Geheimnis im Camp war. Kaum war der Code geändert, verbreitete er sich schon wie ein Lauffeuer unter den Kids. Tagsüber waren die Kids mit Schule und Sportprogramm schwer beschäftigt, aber abends griffen dann eben doch alle zum Handy, sobald die Betreuer außer Sicht waren. Eigentlich eine vergebene Chance für die Jugendlichen, denn eigentlich ist so ein Camp ja dafür da, die Sprache zu studieren, Land und Leute kennenzulernen und neue Bekanntschaften zu schließen. Das war ihnen so sicher nicht bewusst, aber während sie damit beschäftigt waren auf den kleinen Bildschirm zu starren, entgingen ihnen viele echte Erlebnisse und Erfahrungen.
Wir Eltern leben es vor…
Klar, wir leben dieses Verhalten unseren Kindern durchaus vor. Auch wir Eltern sind meist mit Handy und Laptop bewaffnet und verbringen – aus Sicht der Kinder – viel Zeit damit auf Bildschirme zu starren. Dass in diesem Fall Bildschirm = Arbeit bedeutet, ist eine ständig wiederkehrende und für mich oft sehr anstrengende Diskussion mit den Kindern.
Ich lehne es überhaupt nicht ab, dass Kinder ab einem gewissen Alter Zugang zu Handy & Co. haben – aber eben in Maßen. Das gilt vor allem auf Reisen. Hier soll es doch überwiegen, neue Erfahrungen zu machen, neue Eindrücke zu sammeln und Land und Leute kennenzulernen. Ich mag schrecklich altmodisch sein, aber ich bin mit den Lehrern in diesem Fall völlig einig: Handys gehören nicht auf die Klassenfahrt. So eine gemeinsame Reise mit der Klasse sollte eine Chance sein, neues zu entdecken, eine Klassengemeinschaft zu bilden und gemeinsam Spaß zu haben – und das geht ohne Handy definitiv besser.
Mich würde sehr interessieren, wie ihr das seht und bin gespannt auf eure Kommentare!
5 Kommentare
Lustig. Erst vor ein paar Tagen gab es genau zum Thema >Handys auf Klassenfahrt einen Beitrag von Johnny Häusler bei Wired.
Ich sehe das so: Würde mir auf der Reise jemand das Handy wegnehmen, ich wäre ziemlich pissed (um es mal direkt zu sagen). Was hättest du in England ohne Instagram gemacht? Und ich bin der Meinung, dass Kinder heute sehr wohl in der Lage sind, sich auch ohne Handy zu beschäftigen. Mehr als wir…
Und klar, war ich den ganzen Tag nicht am Telefon, will ich abends die Lage checken. Wie geht´s meinen Eltern, ich will womöglich Musik hören, um mal meinen Kopf frei zu bekommen oder das ein oder andere Foto mit mir und den Leuten machen, die mit mir unterwegs sind oder vielleicht sogar schlicht ein Buch lesen, das ich mir auf´s Handy geladen habe, die Chip, den Spiegel oder das Blog meiner Mama…
Handys gehören heute dazu (ich meine damit Jugendliche, keine Grundschüler, aber die haben es ja glücklicherweise noch weniger nötig) und ein Verbot finde ich absurd! Nur weil wir alten Säcke anders aufgewachsen sind und auch noch wissen, wie es ohne Handy war. Na und? Es verlangt auch keiner mehr von uns ein Telefon mit Wählscheibe zu benutzen! Die Welt verändert sich und das Telefon ist ein Kommunikationsmittel für unsere Kinder, auch wenn du vielleicht findest, dass die Nachrichten meist belanglos sind. Es sind ja die Nachrichten deiner Kinder, im Prinzip also völlig egal was wir Eltern davon halten. Wir kapieren das eh nicht (zumindest habe ich das als Teenager so empfunden, meine Eltern die Nullchecker).
Und nur weil ich den ganzen Tag am Bildschirm sitze, arbeite ich noch längst nicht den ganzen Tag, das sagt mir übrigens auch mein TimeTracker, der mir immer wieder vor Augen führt, womit ich am häufigsten Zeit verschwende. Ich wage zu behaupten, dass das auch bei vielen anderen so ist (wie jetzt mein Kommentar…in der Arbeitszeit)
Liebe Dani,
vielen Dank für deinen Kommentar und den Link zum sehr interessanten Artikel von Johnny Häusler. Sieht so aus, als ob sich die Elternabende zur Besprechung von Klassenfahrten im neuen Schuljahr gerade häufen und bei den Eltern überall für jede Menge Gesprächsstoff sorgen.
Natürlich wäre ich auch sauer, wenn mir jemand mein Handy wegnimmt, aber ich sehe da durchaus Unterschiede zwischen Erwachsenen und 11-jährigen Kindern. In unserem Fall geht es um die Klassenstufen 5 – bzw. 6, wenn die Klassenfahrt dann stattfindet. Die meisten Kids mit denen sonst Nachrichten ausgetauscht werden, sind mit dabei. Und wie du richtig sagst, es fällt uns Erwachsenen ja schon schwer genug, uns am Bildschirm zu disziplinieren… Das Thema wird uns sicher weiter beschäftigen – und natürlich müssen die Regeln dem Alter der Kids angepasst werden. Es bleibt spannend 🙂
Es gibt viele Entscheidungen, die 11 jährige alleine treffen können (z.B. welches T-Shirt sie anziehen oder mit wem sie sich verabreden möchten). Andererseits gibt es aber auch Entscheidungen, die die Eltern für die Kinder treffen sollten, weil den Kindern einfach die Lebenserfahrung fehlt, um die Konsequenzen ihres Handelns zu überblicken.
Ich bin kein Handy Gegner, habe selbst oft mein iPhone in der Hand und auch meine Tochter(10) hat seit der 5. Klasse ein eigenes Smartphone.
Ich finde es aber grundsätzlich wichtig den Kindern eine gewisse Achtsamkeit zu vermitteln, also die Fähigkeit Momente im realen Leben ganz bewusst wahrzunehmen ohne abgelenkt zu sein. Ein solcher Moment ist für mich eine Klassenfahrt.
Gut, die Kinder könnten sich anfangs langweilen ohne ihre elektronischen Begleiter, das finde ich aber nicht schlimm…denn Langeweile macht kreativ! Es entstehen Ideen, Spiele, Diskussionen, Freundschaften …das alles sind Dinge, die für mich zu einer Klassenfahrt dazu gehören.
Text und Voice-Nachrichten (Seitenweise: Hi! Hi! Hi! Wmd? Wmi? kp! kp, u.sw.) kann man sich ja schließlich das ganze Jahr über schicken 😉
Und: Nein, ich maße mir nicht an den Sinn hinter diesen Chats zu verstehen – ich gönne meiner Tochter einfach den Spaß. Ich habe aber auch kein Problem damit mal nicht die coole Mutter zu sein, wenn ich davon überzeugt bin, dass meine Kinder dadurch Erfahrungen machen, an die sie sich später mit einem Lächeln erinnern.
Liebe Patricia,
ich sehe das ganz ähnlich. Und ja, den Sinn der Hi! Hi! Hi! etc. Nachrichten möchte ich gar nicht erst hinterfragen – manches lässt sich wohl einfach nicht erklären. Und Hauptsache, die Kids haben ihren Spaß…
LG Antje
Moin!
Als ehemaliger Handygegener habe ich im Laufe der letzten Jahre meine Einstellung hierzu mittlerweile geändert. Einerseits durch die eigene Elternschaft und die damit einhergehenden geistigen Reife und andererseits aufgrund der sich auftuenden Vielfalt an Möglichkeiten, welche eine ehemals als Kommunikationsmittel fungierendes und über das stets erreichbare Gerät mittlerweile eröffnet, welche aus dem alltäglichen Leben eines modernen Menschen des 21. Jahrhunderts kaum wegzudenken wären. Insofern ist jedes Verbot des Umgangs mit einem Smartphone nicht mehr zeitgemäß, solange die Maßlosigkeit nicht an Überhand gewinnt.
Auf die Vorteile und Nachteile des Smartphones für ein Grundschulkind oder auch Jugendliche haben bereits Dani und Patricia hingewiesen. Da bin ich ganz bei euch!
Bei einer Klassenfahrt geht es doch den Lehrkräften eigentlich nur um den Aspekt, wenn wir mal ehrlich sind: einen Stressfaktor von vorne herein zu vermeiden.
Dieser Stressfaktor hat aber ihre Wurzeln einerseits im Elternhaus, weil dort gerade auf die negativen Aspekte des Umgangs mit solch einem Gerät selten bis kaum und auf die drohenden und möglichen Tücken und Gefahren des Internets nicht eingegangen und parallel dazu derselbe Misstand ebenfalls in unseren Schulen weiter fortgeführt wird.
Der wichtigste Aspekt bleibt dabei aber völlig auf der Strecke, nämlich das Smartphone als Kommuniaktionsmittel zwischen Kind und dem Elternhaus. Also ein Mittel zur kurzen sprachlichen Verbindung/Kontaktaufnahme mit den engsten Bezugspersonen. Hier kommen die Bedürfnisse des Kindes zu kurz, und damit das Recht auf Selbstbestimmung und Erfüllung von emotionalen Grundbedürfnissen. Als Vater kann mir doch niemand erzählen, dass es für mein Kind besser wäre, 3 bis 5 Tage keinen Kontakt zu den Eltern haben zu können, weil in diesem zeitlichen Rahmen nur die Stärkung des Teamgeistes und Gemeinschaftsgefühls im Fokus stünden. Als Pädagoge mit 13 jähriger Erfahrung kann ich ein Verbot ebenfalls so wenig nachvollziehen. Je früher die Schülerinnen den verantwortungsvollen Umgang mit dem Smartphone lernen, desto wertvoller ist die künftige Einstellung des Individuums zum Gerät sowie unter Einhaltung hiesiger Regelungen und Datenschutzrichtlinien. Insbesondere wenn diese Dinge im Elternhaus zu kurz kommen. Hierzu sind unsere Bundeslehrkräfte nicht zuletzt durch die schulrechtlichen und dienstlichen Pflichten im Rahmen des Erziehungsauftrags des Kultusministerkonferenz angehalten.
Ich glaube da macht es sich unser Schulsystem zu leicht, wenn es sich dieses Recht nimmt, was ihm garnicht zusteht.
Insofern stellt sich nicht einmal die Idee eines Smartphoneverbots im Rahmen einer schulischen Veranstaltung zur Debatte. Es kann im Endeffekt nur darum gehen, wann die Klassenleitung ein zeitliches Fenster zur Kontaktaufnahme mit dem Elternhaus einrichtet. Meinetwegen können die Smartphones auch eingesammelt werden und zu festen Zeiten wieder ausgeteilt, aber ein komplettes Verbot ist inakzeptabel.
Liebe Grüße
Haroun